Probieren und Studieren: Das Tor zum poetischen Ausdruck
Als ich 1980 mit Leidenschaft mein Sportstudium begann, wählte ich als zweites Fach Germanistik, da ich im Deutschleistungskurs von einem sehr engagierten Lehrer zum Lesen angeleitet wurde. Ich las Romantiker, Bildungsromane, Klassiker, verschlang Gedichte, schrieb selber und war unterwegs zu Lesungen in Köln/Bonn. Ich begann mich für Künstlerbücher zu interessieren, ausgestattet mit Originaldrucken und für Erstausgaben. In dieser Zeit beschäftigte ich mich intensiv mit ihrer Typographie und den illustrierenden Graphiken. Gleichzeitig fuhr ich mit meinem Bruder zu Vorlesungen der Kunstgeschichte nach Bonn, lernte viel über Renaissancemaler und besuchte Kurse für Radierungen, Holzschnitte, Buchbinden und -gestalten. Ich begleitete ihn auch in sein Fotolabor, lernte das Entwickeln von Schwarzweiß-Fotos und begann selbst zu fotografieren. Ein Kaleidoskop an poetischen Ausdrucksformen hatte sein Tor geöffnet.
„Malen ist eine andere Form des Denkens“
(Gerhard Richter)
„Ja, wenn das Denken nicht wäre?!“, das geht so manchen Geistern durch den Kopf – im positiven wie im negativen Sinne. Als ich nach meinen Sport-Studien 1986 als kaufmännischer Azubi in Frankfurt am Main mit der Malerei begann, war der Grund äußere Langeweile und innere Not. Der ständige Gedanke an Kapitulation suchte einen Ausdruck, einen Gegenspieler. Ich hatte dunkle Gedanken, mußte mich entladen und wieder spüren. Nachts begann ich, dem nackten Karton mit Ölkreiden händeringend und fingerfertig wilde Landschaften „aufzudrücken“, „mischte mich“ mit Farben ein und zerrieb meine Gedanken auf Papier. Das pure Denken verselbständigte sich in exzessives körperliches Arbeiten, bei der der Verstand mehr und mehr zum „staunenden Beifahrer“ wurde. Niemand anderes nahm davon Kenntnis. Zur selben Zeit entstand über den Besuch der Frankfurter Buchmesse der Kontakt zur „Schwarzen Kunst“. Ich beschäftigte mich mit jetzt intensiv mit Typographie, Bleisatz und druckte nachts am Tiegel — sah bei der Gestaltung und dem Produzieren von Büchern zu.
Ich ging dort sozusagen in eine Parallellehre. Die ganze Praxis wollte ich mir aneignen, um es professionell machen zu können. Mich faszinierte das Ganzheitliche. Danach stand mir der Sinn. Da ich seit Jugendzeiten Gedichte schrieb, entwickelte sich der Wunsch nach dem eigenen Lyrikband. Das Selbst-Machen, ein Thema ausdenken, die Form finden, dazu Schriften aussuchen, selbst gestalten, drucken und/oder illustrieren. Angefacht wurde das Ganze durch meine Faszination für den Schriftsteller und Zeichner/Radierer Christoph Meckel. Dieser hatte es in den 50iger Jahren als „Doppelbegabter“ mit ersten Gedichte und Radierungen in kleinen Veröffentlichungen von Handpressen (V.O. Stomps-Eremitenpresse) geschafft, die ich sammelte. Kleinstauflagen, mit Originalgraphiken, nummeriert und signiert. Ich lernte dann 1985 den Autor auf einer Lesung in Freiburg kennen und profitierte sehr von den folgenden Begegnungen. Das war eine sehr persönliche, nachhaltige Inspiration für die künstlerische Arbeit. Sechs Jahre später konnte ich mit ihm gemeinsam ein Buch „Hans im Glück“ machen.
All das führte 1989 zu der Gründung eines „Eigen-Verlages“ mit dem Namen „ZYPresse Coeln“. Das war der Weg zu einem eigenständigen künstlerischen Gesicht: Schreiben, Malen, Setzen, Drucken oder Illustrieren, also Publizieren. In dem Dialog von Text und Bild entlud sich mein Spannungsfeld, schuf in 10 Jahren etwa 20 Buchprojekte, die ich auf Messen präsentierte, bei Lesungen vorstellte und in internationalen Sammlungen platzieren konnte.
Kunst kann Alles sein und Nichts: Das namenlose Bild
Es obliegt dem Künstler und einer Entscheidung, ob das Bild „etwas geworden“ ist, sprich, ob es gelungen ist, oder verworfen und entsorgt werden muss. Dazu braucht es häufig einen langen Moment stiller Betrachtung, des Weglegens, des Loslassens und des späteren Wiederansehens nach dem zeitlichen Abstand.
Jedes Bild entfaltet seinen eigenen Stil, hat eine eigenständige Aura, ob es abstrakt-flächig, graphisch-zeichnerisch oder konstruiert-figurativ angelegt ist. Mit dem Innehalten, der stillen langen Betrachtung des Bildes, entsteht ein Prozeß der Sinnsuchung von formalen oder abstrakten Zusammenhängen, die den Geist des Schaffenden beflügeln, Gefühle wieder hervorbringen, die er mit dem Gemalten „verbindet“. Es ist sein persönliches Bild.
Für einen Betrachter von aussen kann es Alles oder eben Nichts sein. Meine Bilder sind im weitesten Sinne „namenlos“ und ich tendiere nicht dazu „meine Sicht- und Denkweise“ zu vermitteln, ich fühle mich nicht als Vermittler aber ich biete eine eigene Perspektive an. Mein Bild ist nicht sein Bild – oder die Bilder sind frei!
Meine Bilder sind Abbilder, die ich vollkommen freigebe. Ich sympatisiere auf ungewöhnlich tiefe Weise mit Ihnen, weil sie aus mir geworden sind, ein Teil, den ich jetzt erst genauer sehen kann. Der Betrachter wird durch seine eigene (Welt)-Anschauung nun selbst zum Erzähler dieses „gleichen Bildes“, hat aber vom ersten Moment an seine eigene Geschichte mit ihm. Er „macht sich das Bild zu Eigen“, „malt sich sein eigenes Bild aus“.
Die Bilder sind frei! Wenn sie fertig sind, halten sie vielleicht die Anblick eines jeden Betrachters aus. Wenn sie anregen, sich mitteilen, Gedankenaustausch führen finden sie Erfüllung, ich freue mich immer über Besucher im Atelier oder bei Ausstellungen und ihre Unterhaltungen. Bilder bieten Gesprächsstoff. Wenn Bilder inspirieren, zum Nachdenken anregen oder ins Gespräch führen, dann ist etwas gelungen, dann sind sie als Bilder gelungen. Sie helfen beim Anhalten, Innehalten, Aushalten, sie fordern auf, zu reisen, befeuern eigene Vorstellungen, fordern Haltungen ein oder machen im besten Fall gute Gefühle, Bilder können (be-)glücken.
Das Gesetz der Serie: eine Welle kommt und geht
Häufig dauert es tagelang oder Wochen, bis beim Malen ein „Flow” entsteht. Nachdem neue Mischtechniken ausprobiert wurden, eine Komposition gelingt, Sicherheit in ein Thema kommt, die Geste des intuitiven Malens Stabilität findet, können kleine Serien von 6 oder 10 bis zu 15 Bilder folgen. Sie folgen alle ähnlichen Gesetzen. Man sieht Ihnen sofort diese Verwandtschaft an und sie entsprechen eben dem ursprünglichen Gedanken. Diese Bilder entstammen dem gleichen Fluß, haben für immer eine Beziehung zueinander. Und trotzdem bleibt jedes ein Unikat. Es entstehen Paare, Dyptichon- oder Triptychons. Bilderreihen, kleine und größere Formate der gleichen ART. Dann ebbt die Welle dieser Bildgestalten ab, Ruhe kehrt wie nach einer Flut ein und ein neues Gezeitenhoch kann folgen.
Malen ist also eine andere Form des Verdenkens
Mit dem Eintritt der Bilder in den Kreis der Betrachter endet die „heimliche Angelegenheit des Künstlers“ beim Malen. Der öffentliche Auftritt weist Ihnen schnell einen Platz in den Kategorien „Sympathie oder Antipathie“ zu. Er wirft sie unweigerlich in den empfindsamen Raum der Verletzlichkeit, der Beurteilung und Bewertung. Ich kann es niemanden verdenken, sich (s)eine Meinung über ein Bild zu machen. Die Frage ist nur, ob ich den Geist des Künstlers hinter dem Bild erkennen konnte. Manche Bilder bleiben rätselhaft und lassen sich nicht schnell „beurteilen“. Diese können sehr gelungen sein. Der Künstler ist längst hinter sein Bild zurückgetreten. Das Bild ist Abbild, Fingerprint. Der Künstler verharrt im Spiegel seines Bildes, in Gedenken und Mitgefühl.